Der Feind in den eigenen Reihen

Es gilt dem Phänomen Arbeit nicht grundsätzlich auszuweichen. In geringen Dosen kann es anregend sein. Man entkommt seinem Alltag, sieht auch mal andere Gesichter und manchmal, wenn es gut läuft, gibt’s sogar Handgeld, um die lieben Laster zu pflegen.
„Was machst du mit deinem nächsten Lohn?“, fragt mich Carlo in der Kantine.
„Wieso? Ist schon wieder der erste?“
„Sehr witzig.“
„Ich weiß nicht. Hab aufgehört, an sowas zu denken.“
„Na gut, es ist Juli. Wann hat der Chef das letzte Mal Geld rausgetan? Im April?“
„Kommt ungefähr hin.“
„Mann, ich brauch die Kohle echt nötig.“
„Warum?“, frag ich.
„Das Kind kommt im August.“
„Was braucht ihr denn noch?“
„Wickelkommode, Stillkissen, ein Bett und ’nen Autositz.“
„Das kann sicher dauern. Der Chef hat kein Geld.“
„Soll ich’s meinem Kind zum achtzehnten schenken?“
„Besser spät als nie.“
„Wie kommst du denn über die Runden?“
„Ich geh nebenbei schwarz auf den Bau.“
„Das ist doch scheiße.“
„Reg dich nicht auf. Wenigstens gibt’s heute Trinkgeld.“
Alexej kommt aus dem Kühlhaus und balanciert mehrere Kisten mit Tintenfisch. Er wuchtet sie neben mein Schneidbrett.
„Welcher Idiot hat eigentlich die Artischocken auf den Rucola gelegt?“, fragt er.
„Weißt du doch nicht.“
„Tja, dann gibt’s heute wohl Pesto, nicht wahr?“
„Mach doch“, sagt Carlo und wirft einen raschen Blick auf die Kisten. „Wie sollen eigentlich zwölf Kilo für zweihundert pax reichen?“
Alexej überlegt kurz. „Scheiße“, sagt er. „Aber der Chef muss eh nochmal einkaufen gehen.“
„Wieso?“
„Ich brauch Mullaca-Wurzeln und lila Mais.“
„Wofür brauchst’n du lila Mais?“…

Fortsetzung folgt heute Abend bei den Surfpoeten (Berlin, Mauersegler, 21.00 Uhr)